…gibt’s im 11Freunde Shop…
Wahlweise auch als Frühstücksbrett:
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Wahlweise auch als Frühstücksbrett:
Die Spannung gestern Abend war unerträglich. Es ist vollbracht. Langsam weichen diverse Wodka-Birnen-Obstler-Irgendwas Getränke und was noch alles so rein ging und rumstand aus der Blutbahn. Mit zittrigen Händen und mit Hilfe der 11 Freunde ein letzter kurzer Rückblick:
20:52 Uhr
Messi hält Kramer für ein Einlaufkind, will ihn bei der Hand nehmen. Kramer: »Ich bin aber doch dein Gegner!« Messi: »Ja, mein Kleiner. Immer schön trainieren. Und jetzt komm, es geht los.«
20:54 Uhr
Die Hymnen. Die deutsche wird hier in Berlin-Friedrichshain auf einer Drucklufttröte gespielt. Einer von 1990. Mit FCKW. Von Dirk Gieselmann.
20:55 Uhr
Die argentinische: Viel Gegröle zu Beginn, danach wird’s fahrig, immer fahriger, operettenhaft, um nicht zu sagen operettenesk. Eine Vorentscheidung?
…dann ging es los. Die Argentinier im Vergleich zu ihren stinklangweiligen Spielen bis hier ins Finale wie ausgewechselt:
Konter Argentinien. Hummels macht den Briegel. Higuain schießt! Manu, halt den Ball! Muss er gar nicht: daneben. Dennoch: Gefährliche Argentinier. Wie ich die Brasilianer vermisse, diese drolligen Nichtsnutze.
…
Einwurf Argentinien. Kaum auszuhalten, die Bewegungsenergie des Balls in den Händen dieses listigen Gauchos. Wann steht es endlich wieder 7:0?
Kramer für verletzen Khedira von Anfang an im Spiel:
Kramer: bester Mann. Verteilt die Bällle, ja: Bälle! Als wären es gleich mehrere, als hätte er ein ganzes Netz dabei. Und Sami Khedira sagt zu Müller-Wohlfahrt: »Kannst du mein Herz vereisen, Doc?«
…
Christoph Kramer wird von zwei Argentiniern herzlich im Weltfußball willkommen geheißen, von der Schulter des einen geht es ins Land der Träume. Dort trifft er Jesus (73), der auf ihn zujoggt, ihn nach seinem Namen fragt, auch sonst sehr interessiert ist, von den anderen aber erstaunlicherweise »Mull« genannt wird. Vollbringt dennoch ein Wunder: Es geht weiter!.
…
Wenn Kramer jetzt tatsächlich ausfallen würde, geht Lahm dann wieder ins Zentrum? Und Neuer auf rechts? Und ich nach Hause?
Argentinien weiterhin mit viel Druck. Und dann:
29. Minute
Nein. Higuain. Higunein. 1:0 für Argentinien? Der Stürmer jubelt, stundenlang, während Bartels schreit: »Abseits! Abseits! Abseits« Doch er hört nicht. Erst als Bartels unten auf dem Feld auftaucht und ihn umgrätscht, begreift er, begreifen auch wir: Das Tor zählt nicht! Alles richtig gemacht. Vom Linienrichter. Auch von Bartels.
Puhhh… aber kaum Zeit zum Luft holen:
Tschüss Leute, ich kann nicht mehr. Kramer muss raus, geht mit einem Blick, der so orientierungslos wirkt, dass es für den Wechsel wohl allerhöchste Eisenbahn ist. Schürrle kommt für ihn. Was das für Kroos, Özil, Müller und das deutsche Spiel bedeutet? Keine Ahnung, aber wir werden berichten. Irgendwann.
…
Argentinien jetzt so druckvoll wie Maradonas Blase nach einem Umtrunk mit Raul Castro.
…
Jetzt aber: Riesenchance Deutschland! Müller auf Schürrle. Die Jungs von der Anzeigetafel suchen schon den Umlaut, doch dann: Romero. Müst.
…
Psychokrieg im Mittelfeld. Mascherano zu Schweini: »Wetten, dass wir zusammen fünf Eier haben?« Schweini zu Mascherano: »Wieso? Hast du nur eins?«
…
AAAAAAAAARRRRRRRGGGG! MESSI! Dribbelt von rechts in den Strafraum, kann von vier Deutschen, darunter Neuer, also eigentlich fünf Deutschen, erst in allerletzter Sekunde und nur unter Verlust von sehr vielen Nervenzellen und Grashalmen gestoppt werden. Unter den verlorenen Nervenzellen offensichtlich auch welche aus meinem Sprachzentrum. AAAAAAAAARRRRRRRGGGG!
Und so geht es ungeschnitten in die Halbzeit:
41.
Es ist so hart. Derzeit liegen Müller und Neuer im Sterben. Tom Hanks hat sich bereits die Rechte an dieser ersten Halbzeit gesichert. Saving Jogi Löw.
43.
Gottogott, macht das keinen Spaß, dachte ich gerade, da schöpfe ich nach einem argentinischen Fehplatz wieder Hoffnung. Aber Müller zaudert plötzlich und spielt zu spät, Klose kriegt sich nicht gedreht, kann nur nach hinten ablegen, und Schürrle hat plötzlich überhaupt keinen Dampf mehr im Fuß. Schürrle! Es macht überhaupt keinen Spaß.
44.
Bartels kiekst, als hätte ihn Delling mit seiner Krawatte sonstwo gekitzelt. Was ist geschehen? Flanke Kroos, Klose will abheben, aber die Schwerkraft, das Alter, der Effet. Vielleicht hat auch er nur an Dellings Krawatte gedacht. Sollte das hier schiefgehen, steht der Hauptschuldige jedenfalls jetzt schon fest.
45.
Nochmal Doppelecke für Deutschland, bevor es in die Pause geht, wo es dann hoffentlich Doppelherz gibt. NEIN! NEIN! NEIN! Doppelherz muss sofort her! HÖWEDES! KÖPFT! AN! DEN! PFOSTEN! Aus einem Meter Entfernung! Auf einem 105 Meter langen Feld. Warum, Gott (Khedira), hast du uns verlassen?
46.
Halbzeit. No one gets out here alive. Entweder es gibt zwei Weltmeister oder keinen. Kaum vorstellbar ist jedenfalls, dass die zurückliegende Mannschaft einfach aufhört, wenn der Schiri abpfeift. Und draußen auf den Straßen von Berlin gehen die ersten Böller hoch. Beim Stand von 0:0. Es ist Wahnsinn, sagt das Ohr. Es ist, was es ist, sagt der Fußball. Was ist los?, sagt Christoph Kramers Gehirn.
21:59 Uhr
Mehmet Scholl, die Margot Käßmann der Halbzeitanalyse. Wir müssen stark sein, an uns glauben, alles wird gut, jaja. Wenn nur diese widerspenstigen Argentinier nicht wären, Margot. Die haben nämlich den Papst in der Tasche.
22:01 Uhr
Die bange Frage: Wer hat sich beim Toilettengang verletzt? Muss Ron-Robert Zieler für Klose ran? Spielt Flick? Und wo ist Kollege Jonas? Guckt »Traumschiff« unter der Bettdecke.
Die 2. Halbzeit beginnt, wie die erste aufgehört hat:
Schon wieder dieser Higuain. »Abseits«, ruft Bartels, diesmal bedeutend gelassener. Higuain hebt sofort den Daumen in Richtung Sprecherkabine. Richtig gesehen. Kompliment.
…
»Messi! Messi! Messi!«, ruft Bartels immer lauter werdend, während ich gerade auf die Tastatur gucke. Und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich wirklich hinschauen will, verzichte schließlich. Prompt verzieht der Argentinier. Braucht halt die große Bühne.
…
Während andere Wasser trinken, hält Mascherano übrigens ein noch zappelndes Kaninchen zwischen den Zähnen.
…
Seit Jahren denken wir uns, dass Müller genau der Typ ist, der mal ein Weltmeisterschaftsfinale entscheidet. Um es nochmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Der Tag ist heute, Thomas!
…
Im Stadion singen die deutschen Fans: »Auf geht’s, Deutschland schieß ein Tor«, in der Nachbarwohnung in Berlin-Friedrichshain singen sie mit. Ohne Scheiß. Vielleicht ist mir das alles doch nicht so wichtig.
…
Dribbling Schürrle, Dribbling Klose, beide bleiben hängen in einem Wald aus argentinischen Beinen wie fliehende Rehe im Unterholz bei der Treibjagd. Und ich musste schon bei »Bambi« heulen!
…
Neuer jetzt mit einer Mixtur aus sich selbst und Toni Schumacher: Faustet den Ball weg, rammt aber Higuain die Hüfte ins Gesicht. Die argentinischen Sanitäter eilen zum angeschlagenen Stürmer: »Wie ist dein Name?« – »Battiston!« Alles klar. Er ist fit. Weiterspielen.
…
Argentiniens Coach Sabella (59) sieht ja locker fünfzehn Jahre älter aus. Könnte an den zahlreichen Theatertoden liegen, die er in jedem Spiel vor seiner Bank stirbt.
…ach und Mesut war ja auch auf dem Platz:
Schürrle auf dem Weg zum neuen deutschen Rekord über 100 Meter, flankt dann auf Özil, der verstolpert. Was plant dieser Mann wirklich? Noch hat er 28 Minuten Zeit, es uns zu verraten. Wir bleiben gelassen. GELASSEN!
…
Jetzt aber: Deutschland am Drücker wie Kevin Großkreutz an der Spielkonsole, wenn Hansi Flick seinen Rundgang beendet hat. Sie müssten nur noch den Bildschirm einschalten.
…
Hat in diesem Spiel noch eine Mannschaft die Nase vorn? Ich weiß es nicht mehr. Sobald ich eine Nase sehe, befürchte ich, dass sie gebrochen wird
…
Was Mut macht: In diesem Moment holt Briegel Burruchaga ein. An der kanadischen Grenze.
…
Wenn Messi, wie Bartels behauptet, »in jeder Sekunde das Spiel entscheiden kann« – warum tut er es, verdammt noch mal, nicht einfach? Ist er die Katze, sind wir die halbtote Maus?
Dann, abermals ungeschnitten, das Ende der zweiten Hälfte:
84.
Noch sechs Minuten. Geht Neuer mit nach vorn?
85.
Müller-Wohlfahrt schenkt heiße Zitrone aus. Zur Abkühlung.
86.
Und jetzt, da wir eh nur so leicht erregbar sind, geht auch noch Klose vom Feld. Für immer? Nein: Wir wollen, dass er 2018 mit seinen Enkeln auf den Schultern sein 17. WM-Tor feiert. Beziehungsweise dass er mit Götze auf den Schultern, der jetzt für ihn ins Spiel kommt, gleich den Pokal entgegennimmt. Wird der Etappen-Messi dieses Finale entscheiden – und nicht jubeln, aus Demut vor Gott, seiner Ablösesumme oder was weiß ich wem? Man kann es sich nicht aussuchen. Mach ihn einfach rein, du Lümmel.
87.
Ich kann überhaupt nichts mehr schreiben, aus Angst, dass es sich sofort in sein Gegenteil wendet bzw. einfach aus Angst generell. Ich würde zum Beispiel so gerne ein Tor sehen und der Verlängerung entgehen, habe aber panische Angst vor einem argentinischen Treffer, würde am liebsten auch Bartels das Maul stopfen, der schon seit Minuten von der Verlängerung unkt. Hat danach aber wahrscheinlich auch Urlaub, so oder so. Ich hingegen muss in jedem Fall um halb neun wieder auf der Matte stehen.
91.
Müller bricht mitten im Angriff am Ball zusammen, weiß offenbar nicht, ob er grätschen oder flanken soll. Selbst diesen Mann hat das brutale Umschaltspiel kaputtgemacht. Schießt er gleich das Siegtor für Argentinien?
93.
Hat Bartels Hummels eben »Wummels« genannt? Genial! WUMMELS, mach ihn! JETZT!
94.
Und aus! Bzw. nicht aus! Zeit für Bananen (Özil) und Astronautennahrung (Schweinsteiger). Bzw. Bier (ich)
Es sollte also tatsächlich eine Verlängerung geben. Nichts für schwache Nerven. Dann muss es halt sein. Die harte Tour:
Respekt, dass die Spieler hier überhaupt noch einen Fuß vor den anderen setzen können. Wir hingegen: Atmen – wie geht das? Wer bist du, wer bin ich? Wieviel ist 120 minus 93? Noch schätzungweise 17 Minuten, dann: ach, was weiß denn ich.
…
Hummels fliegt durch den Strafraum wie Schumacher vor dem 0:1 im Finale 1986, Palacios Hinterkopfschwänzchen zischt durch den Strafraum wie die Peitsche des Satans, dann der Lupfer, über Neuer hinweg, die kommenden Hundertstelsekunden sind wie ein Vuvuzela-Tröten direkt aufs Trommelfell, sinnesbetäubend, beinah tödlich. Zusammenbrechend sehen wir: Der Ball trudelt ins Toraus. Und wir denken: Schade. Ja, ehrlich: Schade. Für eine Sekunde nur: Schade, dass es jetzt nicht vorbei ist, das Leiden. Wahnsinn.
Und was dann passierte, ungekürzt:
102.
Schweinsteiger hat Krämpfe. Löw blättert im Aktenordner mit den Krankenscheinen. Gomez? Gündogan? Reus? Mustafi? Khedira? Kramer? Flehende Blicke zu Müller-Wohlfahrt. Poldi ruft von der Bank: »Trainer, ich geb’s zu: Ich hab die Entschuldigung gefälscht! ES TUT MIR LEID!«
104.
Dieses Spiel, es endet nicht. Lahm wächst mittlerweile Gras auf der Stirn. Die Spieler, sie verwittern wie Denkmäler, mitten in diesem endlosen Finale.
23:15 Uhr
Halbzeit der Verlängerung. Niemand weiß mehr, wer überhaupt noch spielen kann, Hummels näht sich selbst, Mertesacker reicht den Tupfer. Und Lothar Matthäus filmt das Geschehen mit dem Handy. Ein Kriegsberichterstatter erster Güte. Der Peter Scholl-Latour dieses Finales. Auf die Audio-Spur sind wir gespannt.
23:16 Uhr
Nach allem, was ich so gehört habe, kann sich Tom Bartels durchaus was drauf einbilden, dass er mir total egal ist heute Abend. Ich brauch sein Pathos nicht, mit dem er jetzt ganz Fußballdeutschland auf den Rängen des Maracana aufmarschieren lässt, aber es ist mir auch egal. Total egal. Eigentlich will ich nur nach Hause.
106.
Läuft wieder. Der Tontechniker hat die Bänder mit den Fangesängen verlegt, seit Stunden singen die Argentinier dasselbe Lied, oder sind es die Brasilianer, die Neymar feiern, ist auch der Schiri eingepennt, sieht er deshalb nicht, dass Mascherano zum zweiten Mal gelbwürdig foult? Also gar nicht mehr auf dem Platz stehen dürfte? Vermutlich.
108.
Aguero jetzt mit der Faust Gottes. In Schweinsteigers Gesicht. Der blutet. Was den Schiedsrichter nicht auf die Idee bringt, jetzt mal Rot zu zeigen. Kann die Fifa eigentlich noch mal wechseln?
110.
Deutschland in Unterzahl. Schweinsteiger liegt am Seitenrand, wird getackert. Kevin Großkreutz ist schon bereit, doch dann steht Schweinsteiger, dieser Rocky Balboa des Fußballs, wieder auf, er fordert den Ball, er fordert den Pokal. ZDF: Manipuliert ruhig noch mal Eure Scheiß-Liste, Schweinsteiger auf Platz 1, wir stehen hinter euch.
112.
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! GÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖTZE! DIE WELT BRENNT AB! Während dem Schiri das Spiel gerade komplett entgleitet, spielt ausgerechnet, ich betone AUSGERECHNET GÖTZE, einfach weiter oder fängt von vorne an, erinnert sich an sich selbst, fängt Schürrles Flanke mit der Brust ab und zimmert den Ball mit einer Bewegung ins Tor! GÖTZE! ICH LIEBE DICH! JAAAAAAAAAAAAAAAA!
113.
Und wie er jubelt, der Mario: Nicht mehr wie zynischer Millionär, nein, wie ein Kind, das unterm BVB-Poster von Großem träumte, und jetzt ist dieser Traum wahr, er ist wahr, und der Jubel ist echt, sein echtes Gesicht tritt zutage, das Gesicht eines Jungen, unser aller Gesicht, meins, deins, es möge niemals altern.
115.
Und Großkreutz, der kurz vor der Einwechslung stand? Lacht und weint und weint und lacht, lässt sich von Müller-Wohlfahrt tätowieren: »13.7.2014 – Ich war dabei (fast)!«
118.
Jede Flanke ist jetzt dazu angetan, mein Leben erheblich zu verkürzen, die Bälle springen in den altbekannten Verzerrungen durch die Gegend, sehen aus, als würden sie ins Tor fliegen, dabei geht es nur nach oben, nach oben gehen auch die Böller draußen, die sogenannten Menschen scheinen umgehend komplett durchzudrehen, was mich wiederum ebenso umgehend wieder erdet. Jaja, Götze, war ganz okay. Aber bei dem, was der verdient…
119.
Seit rund einer Minute hat der Ball den Boden nicht mehr berührt, da macht sich Müller nochmal auf die Reise, Erinnerungen ans Pokalfinale werden wach, aber Schmelzer ist ja nicht dabei, daneben.
120.
Muss schlimm sein für den VfB Stuttgart, dass auf Jogi Löws Briefkopf jetzt der Pokalsieg von 1997 nach unten rutscht.
121.
Noch eine Minute. Noch ein Freistoß für Argentinien, noch ein Krampf für Schweinsteiger. Nicht der beste Moment für den Receiver, um zu verkünden: Drücken Sie eine beliebige Taste, das Gerät wird sonst abgeschaltet. Und doch passiert genau das!
122.
Letzte Aktion! GOAL! ABER NUR FIELD GOAL! DRÜBER! ICH WILL NICHT MEHR!
122.
»Das Spiel ist noch nicht aus«, sagt Bartels. »Es ist noch nicht aus.« Dann taucht er erneut im Strafraum auf, schlägt den Ball weg. Man of the Match.
124.
Aus. Aus. Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister! Und wird heute Nacht noch untergehen. Jetzt sprengen sie hier hier das Viertel. Auch Opfer unter den Deutschen.
124.
Aus. Aus. Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister! Sorry. Konnten uns nicht entscheiden, wer’s schreiben darf!
..ohne Worte..
Hier hatte einer letztens schon Glück:
20$ auf 7:1 für Deutschland und Khedira schießt ein Tor… Quote 2319.. ..macht 46380$ ..Hut ab..
Was für ein Kulturschock am gestrigen Abend. Nach dem Deutschland gegen Brasilien oder, wie man heutzutage sagt, #BRAvsGER Halbfinal-Duell am Dienstag, wahlweise auch Gemetzel genannt, wird ein ermüdender Kick auf Kreisliga Niveau zwischen der Niederlande und Argentinien geboten. Und damit nicht genug. Die Tatsache, dass nicht ein einziges Tor fällt, lässt dieses Drama auch erst nach endlosen 120 Minuten in einem Elfmeterschießen enden…
Der Postillion beschreibt das Spiel Heute so:
Argentinien nach Halbfinal-Krimi gegen Holland im Finchrrr chrrr chrrr zzzzzz
São Paulo (dpo) – Chrrrrrrrrr hrrrrrrrrrrmpf. Chrrrrrrrrr. Mjmjmjm. Chrrrrrrrrr hrrrrr chrrrrrrrrrr. Mhrchrrrrelfmeterschrrrrrrrr chrrrrrrr. Hrmrmrmrmrmrmrmrrm. Chrrrrrrrrr hrrrrrrr chrrrrrr.
Chrrrrrrrrr hrrrrrrr chrrrrrr. Ratzepüh. Chrrrrrrrrr hrrrrrrr chrrrrrr. Ratzepüh. Chrrrrrrrrr hrrrrrrrrrrmpf. Chrrrrrrrrr hrrrrr chrrrrrrrrrr. Hrmrmrmrmrmrmrmrrm. Messi. Hrmrmrmrmrmrmrmrrm. Chrrrrrrrrr. Chrrrrrrrrr. Mjmjmjm. Chrrrrrrrrr hrrrrrrr chrrrrrr. Ratzepüh.
Oh, schon Morgenmagazin!
Da ist nicht viel hinzuzufügen. Die Kollegen Dirk Gieselmann und Ilja Behnisch beschreiben unter der vorerst lautenden Überschrift „Spiel um Platz 2“ den Tagesablauf zusammenfasst so:
21.50 Uhr
Was für ein Spannung hier in der Luft liegt! Und dann platzt diese Nachrichtenbombe auf unseren Schreibtisch: Die Niederbarnimer Eisenbahn will ihr Streckennetz in Ostbrandenburg massiv ausweiten. Wie reagiert van Gaal?
21:51 Uhr
Tim Krul, der umstrittene Elfmeterkiller. Jetzt wird mir klar, an wen der Angeber mich erinnert: An jeden beliebigen Sohn jedes beliebigen Fahrschullehrers in jeder beliebigen Kleinstadt. Den weißen Pullover um die Schultern gelegt, die Sonnenbrille im Haar, den Autoschlüssel in der der einen, das Turn-Häschen in der anderen Hand, Mittelstufen-Loser verdrängend, die mit Tornister an der Eistheke stehen und hin- und hergerissen sind zwischen Banane und Vanille, dann sagt er: »I know. I know.« Und sie entscheiden sich vor lauter Angst für After Eight und schmeißen es weg. Tim Krul: I know you. Ich kenne dich. Und ich mag dich nicht.
21:55 Uhr
Im Tunnel. Louis van Gaal begrüßt Lionel Messi: »Wenn es heute Abend zum Elfmeterschießen kommt, nehm ich Sie aus, verstanden?« Messi: »Ich darf nicht mit fremdem Onkels sprechen.«
1. Halbzeit:
Das Spiel flüstert mir zu, im Subtimbre von Gerd Gottlob: »Was führt Sie zu mir?« Die Hoffnung, entgegne ich, die Hoffnung, einen Gegner zu sehen, der es mit Deutschland aufnehmen kann im Finale. Und dann kommt erstmals Robben an den Ball. Auf der linken Seite, verrückt, und wird umzingelt, von vielleicht 30 Argentiniern. Die Gefahr bleibt, Robben geht. Für’s Erste.
Higuain mit der Chance. Kein schlechter Spieler, aber man sucht doch auf seiner Position immer noch Gabriel Batistuta, den alten, stolzen Poeten des Torabschlusses. Batistuta, Zidane, Romario, Baggio, Raul: Hätten die denn wirklich alle so alt werden müssen – und wir mit ihnen? Dieser Higuain könnte, wenn damals auf dem Schützenfest was schief gelaufe wäre, mein Sohn sein. Ist das peinlich.
… Und so erinnert das Spiel an die große Hildegard Knef: »Das Glück kennt nur Minuten. Der Rest ist Warteraum.« (Anm. MW: Spruch des Tages verdächtig!)
Ecke Argentinien. Tiefer Kopf Garay, hohes Bein Vlaar. Jeder Orthopäde würde angesichts dessen weinend zusammenbrechen, der Schiedsrichter jedoch bleibt ungerührt. Kein Elfer. Und im Hintergrund schmunzelt Robben.
Das ZDF blendet nun ein Kommentatoren-Foto von Gerd Gottlob ein. Man sieht, tja, kaum etwas. Nur Augen, Nase, Mund. Keine Stirn, kein Kinn. Was für ein Geheimnis birgt dieser Mann? Das Bild wurde offenbar auch im Stadion eingeblendet. Anders ist die Schockstarre der Spannung, in der beide Mannschaften für den Moment gefangen sind, kaum zu erklären.
Zu diesem Zeitpunkt stand es zwischen Deutschland und Brasilien schon 5:0. Und jetzt sitzen weltweit die Söhne mit ihren Vätern vor der Glotze – den Vätern, die diesen magischen Abend als Kumpel-Initiation erlebt haben – und nörgeln: »Das ist langweilig, Papa, ich will lieber Deutschland gucken.« Und die Väter schnauzen, beleidigt und nervös: »Es wird geguckt, was im Fernsehen kommt!«
Halbzeit, Zusammenfassung der ersten Hälfte:
Halbzeitpause:
22:53 Uhr
Dass Rudi Völler im Zuge der Schland-Euphorie den Job bei den »Tagesthemen« bekommen hat: Geht das jetzt zu weit oder längst nicht weit genug?
22:54 Uhr
Van Gaal in der Kabine: »Gut, sehr gut. Mein Bluff funktioniert. Dieser Löw fühlt sich sicher.« Kluivert: »Äh, Chef, ich hab das noch mal nachgerechnet: 0:0 reicht aber nicht.« Van Gaal: »Noch ein Wort, und wechsel dich aus.«
22.56 Uhr
Der arme Thomas Roth. Nicht nur, dass er im Körper von Rudi Völler gefangen ist. Nein, dieses Kurz-Mal-Ran-In-Der-Halbzeit-Und-Den-Deutschen-Die-Welt-Erklären-Bis-Scholl-Wiederkommt, das kann sein Glück nicht sein. Und so wirkt er auch leicht beschwipst, wir mir scheint, auch wenn das eher unter Generalverdacht fällt, bei Schnauzbartträgern. Aber er hätte allen Grund, wie schon Harald Juhnke wusste: »Glück ist, nichts zu tun zu haben und leicht einen sitzen.« (Anm. MW: Noch ein Kandidat für SdT)
2. Halbzeit:
Wo ist Robben? Bislang der Jochen Behle dieses Halbfinals.
Neue These: Vielleicht will einfach keine der beiden Mannschaften Zweiter werden, und sich also im Spiel gegen Deutschland im Tal der Tränen verlieren, sondern lieber im Spiel um Platz drei gegen Brasilien glänzen? Denkt mal drüber nach. Zeit genug habt Ihr ja.
Früher, als ich noch nicht so lang aufblieben durfte, legte mein Vater mir immer einen Zettel mit dem Ergebnis auf den Frühstückstisch neben die Cornflakes: »Werder-Neapel 5:1!« Den Zettel hab ich immer noch. Macht Joachim Löw das auch für Mesut Özil, der gerade neben ihm auf seinem Arsenal-London-Kissen eingeschlafen ist?
Strategien gegen Langeweile für Fortgeschrittene: Biglia bricht sich den offenbar bereits gebrochenen Arm einfach noch einmal.
Die Holländer warten und gucken, was die Argentinier machen. Die Argentinier warten und gucken, was die Holländer machen. Wir warten nur. Gucken nicht mehr hin. Warum auch? Es passiert ja nichts. Rein gar nichts. So gern würden wir ansetzen, eine Chance zu beschreiben, von einem Tor ganz zu schweigen, und bangen voraus, in müder Erwartung, aber nichts.
72. Minute: Gerd Gottlob: »Immerhin mal ein Schussversuch!« Und einen Ball haben sie jetzt auch. Dann kann’s ja losgehen!
Higuain ans Außennetz. Und im Campo Bahia stehen Poldi und Großkreutz mit der Spielekonsole hinter den Erwachsenen und quengeln: »Is’ bald vorbei? Wir wollen noch mal gestern Abend nachspielen!«
»Diese beiden Teams quälen sich seit 84 Minuten«, so Gerd Gottlob trefflich. Und mir fällt ein Witz ein. Sagt der Sadist zum Masochisten: »Ich schlag’ dich nicht…«
Der Nichtangriffspakt von Sao Paulo. Und jetzt wedeln die ersten brasilianischen Fans hier mit den Geldscheinen.
90. +2, Ende reguläre Spielzeit:
Zapfenstreich im Campo Bahia. Hansi Flick deckt Toni Kroos zu. Kroos: »Du, Hansi? Haben die Holländer und die Argentinier wirklich Angst vor mir?« Flick: »Nicht so dolle wie du vor Monstern.«
Die Heatmap der ersten 90 Minuten:
Verlängerung:
Anstoß zur Verlängerung. Die Mannschaften tauschen die Seiten. Für mich das Highlight der Partie.
Huntelaar soll eingewechselt werden, will nicht: »Aber es regnet doch!« Zieht der Niederschlag ins Finale gegen Deutschland ein?
»Kuyt macht keinen Meter nach vorne, nur nach hinten«, sieht Gottlob. Gegen Ende der Verlängerung wird er am Kap Hoorn erwartet.
Huntelaar läuft aufs Feld, was auch heißt: Tim Krul wird heute nicht mehr eingewechselt. Hatte ja auch schon seine »fifteen minutes of shame«.
Liebe Partie Iran gegen Nigeria: Wir möchten uns bei dir entschuldigen. Wir haben dir Unrecht getan.
Eigentliche Spielzusammenfassung:
Halbzeit der Verlängerung. Man möchte, zumal als Berichterstatter, ja allzu gern zum Kern dieser gespenstischen Darbietung vordringen, auf das »Was soll der Scheiß?« eine geistreiche Antwort geben. Ist es der Bammel vor den Deutschen? Ist es irgendwas Spielimmanentes – »neutralisieren sie einander«, wie man immer wieder hört und doch nie recht versteht, wie das funktioniert? Sind sie schlichtweg platt? Oder ist das hier tatsächlich ein Spiel wie viele, ja, die meisten zuvor, wir sehen es bloß unter dem Eindruck des gestrigen Abends ganz anders, viel distanzierter, angewidert, abgestoßen. Als würde der karohemdtragende Schland-Fan von einer Liebesnacht in sein Reihenhaus zurückkehren, und da sitzt sie am Frühstückstisch, die alte Sau Fußball, trinkt Kaffee mit Süßstoff und keift: »Wo bist du gewesen?«
Zweite Halbzeit der Verlängerung:
Die Sanitäter tragen die ersten eingeschlafenen Spieler vom Platz.
Ein geradezu unfassbar dilettantischer Gewaltschuss eines Holländers, ein Befreiungsschlag am Strafraum des Gegners. Gottlob zeigt Verständins: »Das musste mal raus!« Wann tragen die Sanitäter uns endlich weg?
Palacio! Ist das kläglich. Will die Hundertprozentige mit seinem Schwänzchen verwandeln. Eine Idee, die einem wohl nur in diesem Spiel kommen kann. Muss man dabei gewesen sein.
Jetzt ist Argentiniens Angst vor dem Elfmeterschießen offenbar doch einen Tick größer als die vor Toni Kroos. Nennen wir es »Schlussoffensive«. Flanke Messi, Schuss Rodriguez, gehalten. Und im Campo Bahia klappt Hansi Flick das Buch zu: »Siehst du, Toni. Am Ende verlieren die Monster. Meistens jedenfalls. Schlaf schön.«
Zeit für Visionen. Man wird mich fragen: »Wo warst du bei Holland – Argentinien?« Ich werde sagen: »Ich habe getickert.« Sie werden mich tröstend in die Arme nehmen, Freibiere bestellen und mir gut zureden. So hat alles auch seine tröstliche Seite. Aber war es das wert?
Und Schluss. Neutralisieren sie einander jetzt auch im Elfmeterschießen?
Elfmeterschießen:
Van Gaal fragt sich selbst: »Willst du schießen?« Und antwortet: »Alle fünf.«
Elfer 1
Holland beginnt. Van Gaal, als Vlaar verkleidet. Kann der Abwehrchef auch diesmal klären? Ja, und Romero hilft ihm, hält diesen wohl schlechtesten Elfer in der Geschichte des niederländischen Fußballs. Weiterhin 0:0. Bezeichnend.
Elfer 2
Messi. Cillessen versucht sich an Psychotricks. Nutzt nix. Trocken links oben. 1:0 Argentinien.
Elfer 3
Jetzt Robben. »Soll ich mich erst noch fallen lassen?«, fragt er den Schiri. Nicht nötig: drin. 1:1.
Elfer 4
Jetzt Garay. Schnappatmet dem Ball entgegen und bombt ihn dann mittig in die Maschen. 2:1 Argentinien.
Elfer 5
Sneijder. Irritiert, weil kein Schaumkrönchen vorm Ball liegt. UND ER VERSCHIESST! BESSER GESAGT: ROMERO HÄLT! Teufelskerl. Der argentinische Neuer, würden wir sagen, wenn dieses Spiel uns davontragen würde. Aber so…
Elfer 6
Aguero gegen Cillessen, der sich erneut in Sachen Psychokrieger versucht, darüber seinen Job vergisst und über dem Ball hinwegfliegt, wie sonst nur Arjen Robben über ein fünf Meter entferntes Verteidigerbein. 3:1 Argentinien.
Elfer 7
Kuyt. Schießt freiwillig aus 22 Metern. Zählt trotzdem nur einmal. 3:2 jetzt.
Elfer 8
Maxi Rodriguez kann das Finale buchen. Zückt die Kreditkarte und bongt an den Handschuhen von Cillessen ins Glück. Argentinien siegt mit 4:2 nach Elfmeterschießen.
0.47 Uhr
Alles weint. Holland vor Schmerz. Argentinien vor Glück. Der Himmel über Sao Paulo vor Scham für dieses Spiel. Wir hingegen tanzen, denn es ist vorbei. Und Deutschland Weltmeister. So gut wie. Also vielleicht. Wenn das nicht alles einziges Täuschungsmanöver war.
Deutschland gegen Argentinien. Das wird ein Spaß… kann nur einer werden. Also die Hoffnung.. die soll ja zuletzt.. Elf Freunde nannte die Überschrift des Tickers übrigens nach dem Spiel um in „Argentinien holt Silber“
Im Tippspiel einige Mitspieler mit der Vorhersage eines Unentschiedens. Auf ein 0:0 hat aber niemand spekuliert. Udo, Vater, Kai, Alex, TippNoase und ich erhalten aber wenigstens einen Punkt für dieses Debakel.
In der Gesamtwertung steht übrigens DaddyRambow als inoffizieller Gesamtsieger fest. Sieben Punkte Vorsprung vor dem Regisseur sind nicht mehr einzuholen. Wenn ihm, wie ein, zwei Anderen, nicht noch die Krombacher Studio Besuchsregelung zum Verhängnis wird. Der zweite Platz wird souverän vom Regisseur gehalten. Vier Punkte Vorsprung auf Bautzi sind auch schon ein ordentliches Polster. Letztere ebenfalls mit vier Punkten vor viertplatziertem Eric. Auch da scheint der Drops gelutscht. Hinter Eric dann aber bis Platz 10 alle noch innerhalb von vier Punkten. Da ginge vielleicht noch was. Nur was?
Formulare für die leider schon wieder letzten zwei Spiele gibt es ab Morgen früh. Die anderen Möglichkeiten der Tippabgabe ab sofort.
Spiel um Platz 3:
SA, 12.7. – 22.00 Uhr (Brasilia) Brasilien – Niederlande
Finale:
SO, 13.7. – 21.00 Uhr (Rio de Janeiro) Deutschland – Argentinien